Die verspiegelten Türen schliessen sich lautlos. In dem kleinen quadratischen Raum ist kein Ton zu hören. Vierzig Augenpaare fixieren gebannt die rote Digitaluhr, die anzeigt, wie schnell der Aufzug gen Himmel schiesst. Nach weniger als einer halben Minute sind 600 Meter in der Minute Steiggeschwindigkeit erreicht. Das wäre schon unfassbar, aber noch unglaublicher ist, daß man von dieser Beschleunigung überhaupt nichts gemerkt hat. Nach nur 50 Sekunden öffnen sich die Türen und wir betreten einen Raum mit hellen Wänden, Teppichboden, und – einer Glasfront, welche uns die Stadt Tokyo wie eine Landkarte offenbart.
Aus der Höhe, dachte ich mir, hat man die beste Möglichkeit, sich einen Überblick über diese Metropole zu verschaffen. Vorzugsweise aus 450 Metern, denn es gibt noch ein zweites, höheres Deck auf dem Tokyo Skytree. Der mit 634 Metern höchste Fernsehturm der Welt ist erst vor einem knappen Jahr fertiggestellt worden und seitdem immer ausgebucht. Normalerweise würde ich derartige Touristenattraktionen wohl meiden, aber diese hier lohnt sich wirklich. Noch etwas fällt mir auf, was mich überhaupt in Tokyo beeindruckt: Trotz der vielen Menschen, über 13 Millionen (!), ist die Stadt weder hektisch, noch sind die Leute agressiv. Da ich lange in Paris gelebt habe, weiss ich, daß das in solchen Monsterstädten ganz anders aussehen kann.
In Tokyo ist sogar das Autofahren gar nicht so schlimm wie befürchtet. Immerhin fährt man hier links, die Schilder sind häufig nicht zu entziffern, und das Navigationssystem in meinem Forester XT spricht japanisch! Aber in zwei Wochen werde ich niemals angehupt, sause im fliessenden Verkehr mit, und orientiere mich nach dem Sonnenstand, markanten Wolkenkratzern, und eben der Karte auf dem Navibildschirm.
Wenn man es nicht eilig hat, ist auch das eine tolle Art, die Stadt kennenzulernen. Meine Lieblingsmethode ist jedoch immer noch das stundenlange, ziellose Herumwandern. In den Strassen und Gassen um den Megabahnhof Shinjuku fühle ich mich wie in einem Comicbuch! Alles ist bunt, gigantische Bildschirme thronen über Straßenkreuzungen und spielen Musikvideos mit Ton, der sogar den Straßenlärm übertrifft. Die Strassen sind sogar noch nachts irre bevölkert. Zahllose Karaokeschuppen belegen, daß es tatsächlich zu den Lieblingsbeschäftigungen der Japaner gehört, einfach mal eine Runde singen zu gehen. Häufig auch tagsüber, und wer zu schüchtern ist, kann sich sogar Einzelkabinen mieten. Ein Hummer zieht einen Anhänger mit überdimensionierten Roboterfiguren pausenlos um den Block – Werbung für ein „Roboterrestaurant“, welches unter anderem damit wirbt, für welch wahnwitzigen Betrag es gebaut wurde.
Spätestens hier befinde ich mich nun wirklich in einem 3D-Comic: futuristische Barbarellas steuern absurd riesige Roboterfahrzeuge in einer inszenierten Schlacht voller Licht- und Soundeffekte vor einem begeisterten Publikum. Überhaupt – sagte ich, Tokyo sei nicht hektisch? Hier ist alles in Bewegung, die Menschenmassen in den Strassen, in Kaufhäusern und Drogerien spielt Musik, und dann sind an den Regalen häufig noch Fernseher mit kleinen Filmchen installiert. Leuchtreklamen blinken und piepen, und im Superlativebahnhof Shinjuku steigen zu den Stoßzeiten 500 Menschen je Sekunde ein oder aus!
Mit anderen Worten, ich muss mal raus aus der Stadt und steuere den Forester Richtung Südwesten. In nur 150 Kilometer Entfernung steht eine Pyramide aus rotem und schwarzem Lavagestein. Der Mount Fuji, oder Fujisan, wie die Japaner ihn häufig nennen, ragt 3776 Meter in den Himmel und sieht aus wie ein Kind einen Vulkan malen würde. Im Sommer, wenn der höchste Berg Japans schneefrei ist, steigen täglich 3000 Menschen zum Gipfel. Viele machen daraus eine Zweitagestour, schlafen auf einer der zahllosen Hütten, und steigen am zweiten Tag ganz früh auf, um den Sonnenaufgang zu erleben.
Es heisst, jeder Japaner solle einmal in seinem Leben auf dem Fuji stehen. Das nehmen die Leute hier wohl wörtlich, denn ich treffe, beziehungsweise überhole nicht nur Bergsteiger sondern jede Menge Eltern mit kleinen Kindern, alte und manchmal auch einfach total unsportliche Menschen. Eines ist ihnen aber allen gemein: ein sagenhafter Enthusiasmus bei ihrer monumentalen Unternehmung.
Der Berg hat drei offizielle Aufstiegsrouten, die auf der Nordseite zunächst durch fantastische Urwälder führen, während es an der Südflanke vor allem durch kräftezehrenden, losen Vulkanschotter zu marschieren gilt.
Im Sommer ist der Mount Fuji die meiste Zeit in Nebel und Wolken verborgen, auch ich arbeite mich bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit schweissgebadet durch die tiefhängenden Wolken hindurch. Auf 2500 Metern ist dann schlagartig alles anders: blauer Himmel über und weisse Wolken unter mir. Das Geröll wird grob und der Berg noch steiler. Gleichzeitig wird die Luft dünn. Über 3000 Meter merkt sogar ein Alpenbewohner wie ich, daß weniger Sauerstoff zur Verfügung steht.
Wie mag es einem Bewohner der Hauptstadt ergehen, der quasi auf Meereshöhe lebt? Doch irgendwie schaffen es wohl die meisten und erreichen irgendwann den Kraterrand. Für jeden, auch für mich, ist es ein faszinierendes Erlebnis, 1350 Jahre nachdem ein unbekannter Mönch zum ersten Mal hier oben stand.
Japans heiliger Berg allein wäre die Reise wert, doch nach vier Tagen und vier Aufstiegen zum Gipfel zieht es mich wieder zurück in die Stadt. Nach nur zwei Stunden Fahrt treffe ich sie wieder, die fahrenden bunten Riesenroboter.
Seit ein paar Wochen ist das neue “DRIVE” Magazin bei allen SUBARU-Händlern kostenlos erhältlich. Mittendrin ist meine Geschichte vom Mount Fuji und Tokyo:
there’s a bit of audi in those led lights, nice ride!
nicht dass ich etwas anderes erwartet hätte, die Bilder sind genial!!! danke, dass du uns auf diese anschauliche und unanstrengende Art immer an deinen Reisen teilhaben läßt!
Ganz liebe Grüße vom rasenden Schaf