Lisa läuft. Laufen hat ihr Leben verändert. Ihre Geschichte erzählt sie mir bei einer Runde im Pfälzer Wald. Der Tag ist Lisas Ebenbild: freundlich, ein sonniges Gemüt, voll frühlingshafter Aufbruchsstimmung. So war sie schon immer. Ihre Freunde schätzten Lisa in ihrer Jugend bereits für ihr witziges Temperament und ihre gute Laune. Allerdings, einfach mal am Nachmittag auf einen Berg laufen, das konnte und wollte Lisa damals nicht. Mit 18 Jahren wog die heute so sportlich und fit daherkommende Pfälzerin ganze 100 Kilo. Weil es kaum zu glauben ist, zeigt sie bereitwillig ein Beweisfoto, welches obendrein eine entscheidende Rolle in ihrem Leben gespielt hat. Aber der Reihe nach…
Solange sie zurückdenkt, war Lisa eher übergewichtig. Dabei spielte sie in ihrer Jugend sogar ganz gut Tennis. Ganz anders die Eltern, beide Läufer, und dann wurden sie sogar zu Marathonläufern. Sie ernährten sich dementsprechend. Aber die Tochter machte da nicht mit: „Ich habe dann meine Pommes verlangt. Und bekommen.“ Manchmal hat Lisa das ganze Gerede über den Sport genervt, sie wollte auch von der bewussten Ernährung nichts wissen. Stattdessen bunkerte sie Schokolade und Kekse in ihrem Zimmer. „Ich habe dann heimlich gegessen.“ Und zugenommen, klar. Dabei war das Familienklima gut, Lisa verstand sich mit den Eltern prima, ging auch mit zur Ernährungsberatung – doch nichts half. Überhaupt war Lisa ein fröhliches Mädchen, und beliebt bei ihren Mitschülern. Sie selber hatte auch kein Problem mit ihrem Gewicht, nahm das gar nicht als zu viel wahr. Dennoch – 100 Kilo mit 18. Bei 1m73 Körpergrösse. Das ist schon ein Hammer. Sagt sie jetzt selber. Dann kam der Wendepunkt. Nach einem Familienurlaub in Italien, sah Lisa sich selber auf einem Urlaubsbild, ebenjenes Bild, das sie uns nun auch zeigt. Und realisierte: Das bin ja ich! „Ich habe mich im Spiegel nicht so wahrgenommen, wie auf diesem Bild.“ Ihre Mutter stellte sie auf die Waage und die dreistellige Zahl löste den Entschluss dann aus: Ich muss was ändern. Lisas Eltern hatten sich gerade im Rahmen ihres Marathontrainings im Fitness-Studio angemeldet, und Lisa ging nun mit. Laufen war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, aber sie benutzte die Stepper und Radtrainer. Als die junge Lisa innerhalb recht kurzer Zeit fünf Kilo abnahm, war sie schlagartig motiviert, weiterzumachen.
Mit dieser Einstellung zog Lisa nach Mainz, um ihr Studium zur Diplompädagogin aufzunehmen. Als sie aus dem Zug stieg, sah sie, wie auf der Strasse hunderte von Leuten vorbeirannten. „Ich war mitten in den Mainz Marathon geraten!“ Und in dieser Sekunde fasste sie schon den nächsten Entschluss: „Nächstes Jahr laufe ich hier den Halbmarathon mit!“ Also begann Lisa, zu laufen. Zu Beginn nur kurz und mit Gehpausen. Sie nahm ab, erreichte 80 Kilo. Bei Besuchen in der Pfalz lief sie nun mit ihren Eltern. Und verlor weitere zehn Kilo über’s Jahr. Mit ihren Eltern lief sie auch genau ein Jahr später den Mainzer Halbmarathon.
Lisas Eltern waren stolz auf ihre Tochter. Und die Tochter vom Ehrgeiz gepackt. Denn nun wollte sie einen Marathon laufen. Im Frühjahr 2013 war es schon soweit, wieder begleiteten sie ihre Eltern, diesmal in Paris. Doch in diesem Jahr begann Lisa, trotz all dieses Sports, wieder Gewicht zuzunehmen. Es folgten eine Schilddrüsenoperation und Medikamente. Irgendwie verlief dann dieser Sommer ohne Sport und ohne viel Motivation… Bis die Einladung kam.
Zwischenzeitlich hatte Lisa bei Runner’s Point in Karlsruhe gearbeitet. Nach dem Studium wollte sie zunächst gar nicht an die Schule. Sie hatte dort Laufschuhe verkauft, ein Thema für das sie sich auch heute noch leidenschaftlich interessiert. Jedenfalls bot man ihr an, doch für Runner’s Point beim München Marathon zu starten. „Da bin ich dann schon so ehrgeizig gewesen, und habe zugesagt. Obwohl ich ja den ganzen Sommer nicht gelaufen war!“ Und wie selbstverständlich beendete Lisa auch ihren zweiten Marathon.
Parallel entdeckten Lisas Eltern das Berg- und Traillaufen. Fuhren zum Swiss Alpine, schickten Bilder. Lisa war zwar inspiriert, traute sich das aber alles nicht zu. Sie lief lieber weiter ihre Runden im Flachen, und auf der Strasse. Ende 2013 nahmen die Eltern Lisa mit nach Landau. Dort hatte ein neuer Laden für Laufschuhe eröffnet. Und die frisch gebackenen Trailläufer hatten in der Gegend Mühe, Schuhe für ihre neue Leidenschaft zu finden. Bei der „Landau Running Company“ fanden sie endlich, was sie suchten. Und Lisa kaufte an diesem Tag ihren ersten Sense Mantra. Nebenbei lernte sie dort Christian Beck kennen. Der Eigentümer der LRC rennt übrigens fast täglich hier hoch auf den Orensfels, diesen tollen Berg, auf dem sie ihre Geschichte erzählt. Im November 2013 jedenfalls, lud Christian Lisa zu einem der Trailläufe ein, die er regelmässig organisiert. Bei dieser Gelegenheit entdeckte sie, dass sie viel lieber im Wald und auf Berge läuft als auf flachem Asphalt. Schon 2014 überredete Lisa ihren Mann, der eigentlich Fussball spielt, gemeinsam den Zugspitz-Basetrail zu laufen. Beim Swiss Alpine K42 lief sie in strömendem Regen, war aber begeistert von der Landschaft.
In diesem Jahr hat Lisa viel geschafft, um die Zugspitze lief sie im Sommer komplett herum, im nahen Frankreich lief sie mehrere Rennen, und Im Herbst absolvierte sie bestgelaunt den Transalpine Run. Und wie ist das mit dem Essen heutzutage? „Ich verfolge genau was Emily Forsberg so macht, und backe alle ihre Rezepte nach!“
Nach einer kurzweiligen Stunde endet unser Gespräch und unsere Runde am Fuss des Orensfels. Ich habe eine tolle Geschichte gehört und verstanden, warum Lisa läuft.
Schöne Geschichte Stephan bzw. Lisa :-). Bestimmt kannst du mit dieser Geschichte noch viele weitere übergewichtige oder unsportliche Menschen zum Laufen bewegen. Viele Grüße Patrick