Das Brot ist weg. Die Ziegen verlieren das Interesse an dem Typen mit dem orangenen Hut. Alexander Rohleder, genannt „Ziegenpeter“,verlässt den Stall der lustigen Vierbeiner und wir laufen weiter. Das Foto mussten wir unbedingt hier machen, wegen seines Namens. Man kennt das ja – man legt ein Profil bei Movescount an und braucht ein Pseudonym. Da fiel ihm der kleine Junge aus „Heidi“ ein, der immer so die Berge hochrennt. Unter dem Namen kennen ihn aber nur seine Laufkumpels.
Off-trail führt der Mann aus der Rhön eine eher seriöses Leben. Als Bezirksleiter bei Tchibo ist Ziegenpeter für 20 Filialen zwischen Frankfurt und Eisenach verantwortlich. Eröffnungen, Personal, Umbau, Schliessungen… das gehört alles dazu. Ursprünglich wollte er immer Koch werden. Nach der Realschule verliess er das Kasseler Elternhaus und zog nach Berlin, wie er selber sagt, um der Bundeswehr zu entgehen. Bei der Kochausbildung im Kempinski am Kurfürstendamm kochte er 4 Jahre lang für allerhand Prominenz. Rudi Carell, Madonna und Heinz Rühmann besuchten den edlen Schuppen. Der Mann der heute in Kaffee handelt, fuhr zum Kochaustausch nach Budapest, nahm an Meisterschaften teil und fuhr als Koch auf dem Beck’s Bier-Segelschiff mit. Nach der Maueröffnung zog Alexander dann zurück nach Kassel, und später in die Nähe von Fulda. Sport war früher nie ein grosses Thema. Seine Radfahrkarriere in der Jugend stoppte abrupt als er ein Mofa bekam. „Ich fand laufen schon immer blöd.“ Dennoch war da das Bedürfnis, nicht vollkommen zu verwahrlosen, also kaufte er sich Turnschuhe und eine kurze Hose. „Man geht dann immer mal wieder auf so ne 5 Kilometerrunde und kommt mit Herzstichen nach Hause.“
2010 machte er mit seinen Mitarbeitern beim JP Morgan Lauf in Frankfurt mit und sagte sich „das muss ich aber üben, damit ich mich nicht blamiere…“ Kurz darauf wurde seine Frau Birgit von den Kollegen an der Uni zum Halbmarathon in Kassel angemeldet. Ziegenpeter schnürte die Laufschuhe zusehends häufiger und lief immer in der Rhön herum. Die Wende zum Trail vollzog sich dann ausgerechnet im Supermarkt: Alexander war Zeitungsfetischist. Immer wenn Birgit sich Kochzeitschriften kaufte, nahm er Motorrad- und Laufzeitschriften mit. Im Rewe entdeckte er eines Tages das TRAIL Magazin. Und stellte verblüfft fest: „Oh das ist ja das was ich hier immer mache.“ Mittlerweile hatte er sich für den Rennsteigmarathon registriert, und meldet sich nun auch beim Lesercamp am Gardasee an. Hiervor hatte er gehörig Respekt und trainierte eifrig für die Tage in Riva. „Beim Begrüssungslauf am ersten Abend war ich beruhigt und dachte mir, oh gut, das hälst du aus. In den nächsten Tagen wurde ich dann eines Besseren belehrt.“ In der Tat erinnern wir uns noch heute an den Typen, der 4 Tage lang mit einer Gore Activeshell Testjacke rumrannte, und diese dann nicht mehr hergeben wollte. Und der mehrmals täglich auf dem Trail ausgebreitet lag, und uns bat, ihn liegenzulassen, um zu sterben. Geichzeitig war sein Ehrgeiz geweckt. Beim Lesercamp lernte er auch Trailschnittchen Julia kennen, und engagierte sie, um ihn für den Rennsteig zu trainieren. Seit drei Jahren nun erhält er wöchentlich ihre Anweisungen und ruft sie ebenso wöchentlich an, um „das alles zu besprechen.“ Den Rennsteig schaffte er ebenso wie anschliessend den Zugspitzbasetrail. Dann ging er zum Sardona. „Da wollte ich wieder sterben…“
Überhaut ist der Typ im orangenen Hut ehrlich und bescheiden. Die Superlativen in seinem Umgangston sind vor allem einem recht urigen Sinn für Humor geschuldet. „Der Basetrail war für mich ja 2013 erstmal das Maß der Dinge. Nach dem Sardona wusste ich Bescheid. Man entwickelt sich ja, aber diese vielen Höhenmeter auf die Distanz, das ist was ganz anderes. Und ich kann nicht gut bergablaufen. Da verliere ich am meisten Zeit.“ Und um sich zu entwickeln, goß der Mann aus Fulda 2014 ordentlich Öl auf’s Feuer: Bilsteinmarathon, Grand Ballon (sein erster 50er), Harzquerung, Supertrail, Gondo Event und zum Abschluss den UTAT in Marokko lief der entschlossene Spassvogel. Nach Marokko wollte der Motorradfan schon immer mal auf zwei Rädern. Dann hörte er, dass man durchs Atlasgebirge ja auch rennen kann, und fuhr hin. Dort lernte er dann Carsten, besser bekannt als Ely, kennen. Der Chemiker aus Essen war auch mal Lesercampteilnehmer und ist ein starker Trailrunner. Die beiden teilten sich ein Zelt: „Das hat gleich gepasst. Weil – er konnte deutsch…“ In der Gruppe ist man schnell übermütig, und die beiden UTAT Finisher freundeten sich nicht nur an, sie gingen auch in Marrakech in Spelunken essen, von denen der gelernte Koch heute sagt: „Es ist ein Wunder, dass wir das überlebt haben!“ Und der Übermut geht weiter. In diesem Jahr wollen beide gemeinsam den Skyrun in den südafrikanischen Drakensbergen in Angriff nehmen. Vorher rennt Ziegenpeter noch bei der Premiere des UTLW im Bayerischen Wald mit und beim Cro-Magnon in Südfrankreich. Der Skyrun wird dann auch sein erster Besuch in Südfrika. „Ich gehe an sowas immer sehr unbedarft heran. Ich lese die Reisefüher meistens, wenn ich wieder zurück bin.“
Bevor er mit dem Laufen begann, war das Motorrad sein Lebensinhalt. Jedes Jahr ging die „Herrentour“ für eine Woche mit Motorrad und Zelt in die Ferne. Albanien, Türkei… 6000 Kilometer in 4 Wochen. Nun hat Ziegenpeter die Salomonrunning TV Episode mit Rickey Gates gesehen, und das nächste Projekt steht fest: Ein Motorrad-Trailrunning-Roadtrip.
Ich liebe, liebe, liebe dieses Ziegenbild