Es sind weniger als 12 Stunden bis zum Start. Das „Almersberg Skyrace“ hat genaugenommen gar keine genaue Startzeit. LRC-Mogul und Almersbergstreckenchef Christian hat lediglich das Rennen ab Mitternacht am Samstag Abend freigegeben. Gerüchte kursieren, wer wann auf die Strecke gehen will oder es nun doch nicht tut. Vollkommen unklar ist, wer Speed, Auf- oder Bergabrekord geschweige denn, wer den Rekord der meisten Aufstiege anpeilt.
Sicher ist nur – es wird wieder eine epochale Unternehmung, genau wie vor ein paar Monaten, als ich am benachbarten Teufelsberg 15 mal auf und ab lief, und damit den Rekord des verrückten Franzosen Thibaud überbot. Damals war ich den halben Nachmittag und die ganze Nacht lang unterwegs. Die schlumpfblaue Gang der Landau Running Company trudelte um 16 Uhr ein, mitsamt gigantischer Kühlbox. Mehrere Stunden lang liefen kleine Gruppen und einzelne Leute den Teufelsberg auf und ab.
Die Stufen durch die Weinberge, den supersteilen Kreuzweg, an der Kirche mitten im Wald vorbei, dann an der Waldgaststätte… Es war ganz schön was los auf den paar Metern Pfälzer Wald! Skyracing als sozialer Event. Bei dem schönen Wetter blieb man immer mal wieder oben am Kreuz auf der Bank sitzen, ich unterhielt ich mit vielen immer wechselnden Pfälzern. Irgendwann gegen Abend verließen dann die letzten das kleine Dorf Burrweiler und den Teufelsberg. Und mich. Die meisten wollten zu irgendwelchen Weinfesten. Offenbar macht man das hier so im Sommer.
Iris und Christian waren die letzten, die gingen. Sie luden Pizzableche ein. Ich hatte eigentlich im Vorhinein nach einem Pizzalieferservice gefragt, um mir während der langen Zeit mal etwas zu essen an den Waldrand bringen zu lassen. Die Antwort darauf war eher ausweichend, denn Christian fand, nur seine eigene, selbstgebackene Pizza sei gut genug für einen Skyracer! Und – damit hatte er vermutlich recht! Die enormen rechteckigen Spezialgebäcke gaben mir Energie für viele Stunden…
Als also alle weg waren, es war schon dunkel, begann für mich erst so richtig der Arbeitstag. Wegen des ganzen sozialisierens hatte ich viel weniger Aufstiege geschafft, als ich mir für den Tag vorgenommen hatte. Nur 6 mal – und 14 hatte der Franzose… ich musste also noch mindestens 9 mal die knapp 350 Höhenmeter hoch und wieder runter. Skyracing als einsame Aktivität.
Eigentlich ging die Nacht damals recht gut rum, Lupine auf voller Stärke hielt die Augen wach, Ipod auf voller Stärke betäubte die Sinne, und Zauberlehrlings „Warrior Song“ passte vom Takt her perfekt an meine Schrittgeschwindigkeit.
Mitten in der Nacht gab es dann sogar Besuch. In Verkleidung eines Wolfes rannte der durchgeknallte LRC-Boss gegen Mitternacht die Strecke hoch, mir entgegen. Das hellgraue Fell reflektierte das Licht meiner Stirnlampe derart, dass ich zunächst an eine Halluzination dachte und dann an Hui Buh, das Gespenst!
Eine Stunde später stand unten an der Wendemarke ein Auto mit Leuten. Müssen Weinfestler sein, dachte ich, und das stimmte auch. Sandra und ihr Mann Wachi waren heute nachmittag schon hier und sind nach dem Weinfest nochmal vorbeigekommen, um zu sehen, wie es läuft! Unglaublich, diese Pfälzer!
Die schwierigste Zeit, wie bei allen solchen Unternehmungen, war damals die Zeit zwischen 3 und 5 Uhr. Da wurde ich schon recht müde. Es half dann nur, bei jeder Runde einen Happen essen und was trinken am Auto, ansonsten Ipod auf Repeat und in Robot-Modus verfallen. Die rettende Morgendämmerung hob dann irgendwann die Lebensgeister.
Sogar die angekündigten Gewitter waren nördlich vorbeigezogen. Alles in allem lief die Sache echt gut. Als ich Lauf Nummer 14 im Kasten hatte, gegen acht Uhr früh, also Gleichstand mit dem Rekordhalter erreicht war, musste ich schon ein bisschen jubeln, da oben auf dem Gipfel. „Jetzt hab‘ ich dich!“ war der Schlachtruf!
Als ich zum 14. Abstieg ansetze, rannte ich fast Matthias um, der gerade durch die Hecke zum Gipfel stürmte. Der Typ war am Abend schon hier gewesen, ist Dötzi-Veteran, war Teilnehmer am Reichenhaller Trailcamp, und heisst obendrein Pfalzer! Er begegnete mir mit einer Art Kopfschütteln mit ungläubigem Blick, als ich ohne anzuhalten ihn nur kurz begrüsste und mich in den Downhill stürzte. Nach der langen Nacht war dies mein erster Kontakt zu einem Menschen, und ein einsilbiges „Hallo!“ war alles, was ich aufzubieten hatte….
Auf den letzten Metern nach unten hatte er mich längst eingeholt, und ich war in der Lage, Bericht zu erstatten. Den finalen Gipfelsturm machten wir gemeinsam, es war mir tatsächlich eine Freude, zum Rekord Begleitung zu haben. Wir nahmen uns Zeit für Siegerfotos am Gipfelkreuz, und liefen wieder hinunter. Innerlich überlegte ich schon eine Weile, ob ich noch ein paar mehr Läufe machen sollte, um den Rekord ordentlich zu überbieten.
Doch dann wartete Pizzabäcker Christian – diesmal ohne Wolfsfell – unten an meinem Auto, mitsamt Sekt, Croissants, und einer mit Edding handbeschriebenen Goldmedaille! Ausserdem wurde mir die Landauer Ehrenbürgerwürde mittels eines schlumpfblauen LRC Hoodys überreicht.
Nach einem solchen Finale erschien es sinnlos, noch weiter zu versuchen, Fußspuren in der Steintreppe einzutreten… Der Rekord war wieder in deutscher Hand, ich hatte einen Eindruck von der pfälzischen Gastlichkeit und deren Trails bekommen. Es war perfekt!
So war das damals am Teufelsberg. Aufmerksame Beobachter der Skyracingszene wissen – der verrückte Franzose ist nicht nur verrückt sondern auch echt krass! Seit meinem Besuch in der Pfalz ist er erneut ausgerückt und hat den Rekord gehörig hochgesetzt – auf 21 !
Und jetzt? Jetzt gibt es schon die zweite Strecke hier im Pfälzer Wald, nur ein paar Täler weiter liegt der Almersberg. Thibaud hat hier in einer beinharten Regenaktion vor ein paar Wochen 18 Läufe in’s Gelände gedroschen. Ich muss das sehen, ich will da hin. Alle ortskundigen sind sich einig: der Almersberg ist viel anspruchsvoller als der Teufelsberg. Technischer Untergrund, steiler, wilder. Kein Dorf in Sicht, man ist mitten im Wald, dort gibt es nachts gar kein Licht, auch nicht in Sichtweite. Alles krasser.
Und weil das so ist, muss ich erst recht dort hin. LRC-Schlumpfbande ist avisiert und hat sich für morgen angekündigt. Die offene Startzeit lässt das ganze noch mysteriöser erscheinen. Auch ich halte noch hinter dem (Almers)berg mit meinen Plänen. Wann laufe ich los? Wie oft will ich hoch? Habe ich die 18 im Visiser? Auch die Nachfragen des an diesem Wochenende anderswo umher rennenden Franzosen habe ich mit ausweichenden Antworten nach dem Motto „Ich sehe mir das mal an…“ abgewehrt.
In der Grip-BOX sind gut 8 paar Schuhe für alle Bedingungen. Am Ladegerät hängen alle Lupineakkus die ich habe, und einer davon ist zu gross, um heil durch eine Röntgenkontrolle am Flughafen zu kommen. Im Gripmobil sind zwei Satz Leki Carbonstöcke und eine Kiste Powerbarsmoothies. Was habe ich vor?
Sicher ist nur: SKYRACING IS NOT A SPORT. IT’S A LIFE CHOICE.
Heute Nacht um Null Uhr beginnt mal wieder ein Tag voller Leben.
Sehr schön geschrieben Stephan, ich freu‘ mich auf morgen
Hey Bat,
da hast Du Deinem wichtigsten geheimen Spitznamen mal wieder alle Ehre gemacht und gezeigt, wie eine Ledermaus der Finsternis trotzt… zudem mit einem Ausdauerpotenzial, das jedes Säugetier vor Neid erblassen lässt. Glückwunsch!!!