….Life is short. The trail is long. Best we keep moving.
„Trailrunning – der neueste Trend !!!“
„Da müssen Sie dabei sein: Trailrunning ist der neue Hype!!!“
Die einschlägigen Sport- und Laufzeitschriften überschlagen sich mit Superlativen, um eine vermeintlich revolutionär neue und unglaubliche Sportart unter’s Volk zu bringen. Eben das besagte Trailrunning. Einen anständigen deutschen Begriff habe ich bis heute nicht gehört, allerdings erinnere ich mich, dass schon mein Vater als ich noch klein war, am Sonntagmorgen zum „Waldlauf“ ging. Das war bevor in den 80ern der US-Import „Jogging“ seinen bis heute unerreichten Siegeszug antrat. Aber ich schweife ab.
Tatsache ist, die Sportindustrie hat das Trailrunning zwar wiederentdeckt, aber genaugenommen ist es die ursprünglichste aller Fortbewegungsarten, seit dem Tag,
an dem der Mensch vor sehr, sehr langer Zeit beschloss, aufrecht zu gehen.
Die ersten Trailrunner jagten Mammuts und Säbelzahntiger.
Heutzutage kaufen wir unsere Nahrung in klimatisierten Supermärkten und benutzen ebenso bequeme Fortbewegungsmittel. Doch die moderne Welt hat uns neben vielen Annehmlichkeiten auch noch Anderes beschert: Regeln. Grenzen. Konventionen. Um nicht völlig durchzudrehen, flieht der freiheitsliebende Trailrunner in die Natur, in die Wildnis, in den Trail! Hier gelten nur die elementaren Regeln der Fliehkraft, der Erdanziehung und ein paar weitere Naturgesetze…wir sind mit anderen Worten sportliche Anarchisten!
Um dem Neuling zu helfen, bald schnell und vergnügt durch die Trails zu fetzen, formulieren wir dennoch die 11 Gebote des Trailrunning :
1. Gebot: Der Trail ist das Ziel
Vergiss auf den Zentimeter genau vermessene Marathonstrecken, Zielzeiten, den permanenten Blick auf die Pulsuhr,…. Alle diese Phänomene des modernen Sports haben zwar mitunter auch in unserem Sport ihre Existenzberechtigung, doch der Säbelzahntigerjagende Urmensch hatte nichts davon zur Verfügung…Wer nicht ambitioniert bei irgendwelchen Rennen am Start steht, kann dem am Rand der 400m-Bahn stehenden Trainer mit der Stopuhr in der Hand getrost die fristlose Kündigung aussprechen. Für den Trailrunner zählt nicht, jedenfalls nicht an erster Stelle, wie lange er welche Strecke läuft. Es geht um Spass, Erlebnis, Abenteuer! Das Training stellt sich beim Trailrunning von selber ein: der Bahnläufer muss Intervalle laufen, auf die piepende Stopuhr hören. Der Trail ist eine ständige Intervallstrecke. Steigungen und Gefälle sorgen für Belastung und Erholung. Der Marathonläufer orientiert sich an seiner Uhr und an Kilometermarkern, um zu wissen ob er einen guten Lauf hat. Der Trailrunner erlebt seinen Lauf ganz anders: Schnelle Kurven um engstehende Bäume, krasse Slides in matschigen Downhills, im Nebel oder Regen durch nächtliche Wälder zu rennen, im Schein der Stirnlampe, die anderen Jungs an der steilen Rampe auf irgendeinen Hügel Staub fressen zu lassen… Trailrunning ist nicht Laufen – Trailrunning ist Erleben auf zwei Beinen!
2. Gebot: Der Trail ist Dein Freund
Wurzeln, Steine, Matsch, enge Kurven, steile Rampen….das sind keine Feinde, sondern Teile des Spielfelds auf dem sich der Trailrunner austoben darf…: Felsblöcke und Wurzeln lassen sich wie Stufen zum bergauf- und ablaufen einsetzen. Enge Kurven sind die Essenz des Trails – experimentiere mit der Fliehkraft, lehne Dich in die Kurve, nutze Steilkurven, um schneller zu werden. Geröllfelder sind mit den richtigen Schuhen und souveräner Technik ein Riesenspass. Nicht der leichte Weg ist der lustige Weg! Der Trailrunner geht ja nicht in den Trail, um dann den Hindernissen auszuweichen, er geht WEGEN der Hindernisse in den Trail!
3. Gebot: Grip ist relativ
Wie der Mensch oft gerne den einfachsten Weg nimmt, so hat auch der Trailrunnner manchmal Tendenz, den Fuss da aufzusetzen, wo er ohne wegzurutschen landen kann. Doch wer das ganze Jahr durch unterwegs ist, stellt manchmal fest – Grip ist relativ. Im Sommer meidet man nach dem Regen die nassen Felsen und Wurzeln und landet lieber auf Waldboden. Im Winter jedoch ist die nasse Wurzel oft eine Oase der Traktion, verglichen mit dem Gemisch aus Schnee und Eis, welches den Trail bedeckt. Und so ist der Lauf im vermeintlich feindseligen Wintermatsch in Wirklichkeit ein super Techniktraining für den Sommer. Um im Trail sicherer zu werden ist es gut, immer wieder bewusst auf glatteren Oberflächen aufzusetzen und die Erfahrung zu machen, dass das tatsächlich möglich ist. Beim Trailrunning ist es wie beim Mountainbiken: der Schuh darf auch mal ein bisschen rutschen, deshalb stürzt man noch lange nicht. Das Profil unter einem anständigen Trailschuh findet nach ein, zwei Zentimetern fast immer wieder Halt. Ausserdem – ein Trailrunner ohne einen gelegentlichen krassen Wipe-out hat sich einfach nicht genug in die Kurve gelehnt!
4.Gebot : Laufe wie der Säbelzahntiger….
…. oder wie irgendeine andere Katze: elastisch! Was gut für die Gelenke und schonend für die Muskeln ist, hilft auch der Traktion. Nicht stampfendes Laufen, sondern elastisches „Gleiten“ über den Untergrund ist das Geheimnis. Der Fuß„erfühlt“ beim Landen den Untergrund, registriert wie dieser eventuell etwas nachgibt, die Knie und Fussgelenke funktionieren wie natürliche Stoßdämpfer und geben die Energie des Körpergewichts nicht ruckartig sondern fliessend weiter an den Boden. Der Oberkörper ist aktiv, die Bewegung der Arme sorgt bergauf für mehr Schwung, in technischen Passagen sorgen etwas ausgestellte Ellbogen für mehr Gleichgewicht.
5. Gebot : Richtige Ausrüstung ist kein Luxus
Nur weil wir die elementarste urmenschliche Fortbewegung betreiben, heisst das nicht, daß wir uns in Fellumhänge gehüllt, barfuß durch das Gestrüpp schlagen müssen!
Wichtigstes Utensil des Trailrunners: der Trailschuh.Er unterscheidet sich vom normalen Strassenlaufschuh in vielerlei Hinsicht. Das braucht der krasse Typ im Trail:
– Traktion auf Sand, Erde, Matsch, Geröll, Tannennadeln, Laub, Wurzeln, Fels, Vulkangestein (auf so manchen Inseln), ……. das dann auch noch bergauf, bergab, in Kurven…. es leuchtet ein, weshalb grobe Profilstollen, -Rippen und -Lamellen hierfür entwickelt werden. Die Gummimischung der Sohle ist entscheidend für gute Haftung bei trockenen bzw. nassen Verhältnissen.
– Protektion: In steinigem Gelände ist eine gute Zwischensohle wichtig, welche die Fußsohle vor spitzen Steinen schützt. Ein guter Trailschuh hat auch oben, vor allem vorne, eine Art Panzerung um Verletzungen zu verhindern. Je ruppiger das Gelände, desto wichtiger werden solche Elemente.
– Dämpfung: Zwar federt weicher Waldboden mehr als harter Asphalt, doch der krasse Trailrunner ist auch auf Steinen, Felsen, und im Winter auf gefrorenem Waldboden unterwegs. Ausserdem führt der Weg zum Trail doch viele von uns immer wieder über diesen feindlichen Untergrund – den Asphalt… Der Trailschuh ist also generell etwas weniger gedämpft, und aus diesem Grund auch für umfangreiches Laufen auf der Strasse nicht wirklich geeignet, doch ganz ohne Dämpfung kommt auch der Trailrunner nicht aus, sonst muss er sich schon sehr Säbelzahntigerartig fortbewegen…
– Komfort: Nur ein bequemer Schuh ist ein guter Schuh! Wer viel steil bergab läuft, sollte vorne etwas Platzreserve haben, damit die Zehen nicht anstoßen. Atmungsaktiv sollte der Schuh trotz der oben erwähnten Schutzapplikationen unbedingt sein. Es ist ein häufiger Trugschluss, dass man im Gelände unbedingt wasserdichte Schuhe benötigt. Nur wenn es wirklich nass UND Kalt ist oder man sehr lang unterwegs ist, macht das tatsächlich Sinn. Häufig gilt: entweder habe ich nasse Füsse vom Regen und den Pfützen, oder vom Schweiß in den Wasserdichten Schuhen… Allerdings: es gibt sie, die Tage, an denen man ohne die alles dominierende Gore-Tex Membran im Schuh keinen rechten Spaß mehr hat. Für mich steht fest, der echte Trailrunner hat beides im Regal, und wählt den Schuh je nach Temperatur, Feuchtigkeit, Gelände, Dauer und Gemütszustand aus….
– Stabilität: Gemeint ist nicht, dass der Schuh nicht beim Bodenkontakt zerbricht, sondern dass er den Fuß gut stützt, damit es nicht zum berüchtigten „Umknicken“ kommt… Der Fuss sollte im Schuh vorne nicht hin- und herrutschen, insbesonders wenn man sich an schrägen Hängen bewegt. Das erhöht nicht nur die Verletzungsgefahr, sondern unterminiert obendrein die Traktion. Ein guter Fersenhalt ist der Schlüssel zu kontrollierten Landungen, und umknicksicherem Laufen.
6. Gebot: Aussen sei dein Schuh dreckig, innen jedoch sauber!
Ein absoluter Geheimtip, weil in Deutschland noch kaum verbreitet, sind Gaitors!
Diese Art „Mini-Gamasche“ hält Sand, Steine, Staub, einfach alle Fremdkörper aus den Schuhen! Im Winter bleiben die Knöchel warm und trocken, Schnee fällt nicht in die Schuhe… Wenn es im südafrikanischen Dickicht zur Sache geht, oder die Schuhe auf den herbstlichen Trails im Chiemgau oder im Harz im Schlamm versinken, bin ich nie ohne dieses gar nicht teure aber effektive Stück Ausrüstung unterwegs….
Brillianter Nebeneffekt – man sieht mit den Dingern auch noch krasser aus! Also eigentlich hat man nur Vorteile!
Wo findet Ihr sie nun, diese Geheimwaffen? Meine Favoriten sind die Gaitors der Firma „Raidlight“ aus Frankreich! Man kann sie in Einheitsgrösse in diversen Onlineshops bestellen, einer ist sogar in Deutschland ansässig, www.racelite.com in Garmisch.
7. Gebot: Erlebe den Trail, und – überlebe ihn!
Der Trailrunner ist mitunter in unwegsamem Gelände unterwegs, er ist oft der Einzige der dort an diesem Tag vorbeikommt. Nicht nur in den Alpen, auch im Stadtwald kann ein unglücklicher Sturz oder eine Verletzung den krassesten Typen so ausser Gefecht setzen, dass er nicht mehr aus eigener Kraft weiterkommt. Wem das abends und gar im Winter passiert, der kann nur wenige Kilometer vom nächsten Ort schlagartig in Lebensgefahr geraten, oder zumindest in eine sehr unangenehme Lage. Was die meisten Rennveranstalter bei Trailläufen als Pflichtausrüstung vorschreiben, sollte der Trailrunner bei etwas „wilderen“ Läufen immer dabeihaben, insbesondere wenn er alleine unterwegs ist. Ein Telefon um Hilfe zu rufen, eine Rettungsdecke gegen die gefährliche Unterkühlung, eine Notration Essen und Trinken und bei abendlichen Läufen eine leichte Stirnlampe wiegen nicht schwer, können aber im Verletzungsfall tatsächlich lebensrettend sein.
8. Gebot: Du hast schöne Schuhe an? Gut, aber jetzt schau’ wieder nach vorn!
Der Trailrunner denkt zwar immer nur bis zur nächsten Kurve, aber er sollte vor allem vorausschauend laufen…. Wer auf seine Füsse schaut, ist beim nächsten Schritt schon zu spät dran. Trailrunning ist ein sagenhaftes Reaktionstraining. Während die Füße das Gelände meistern, scannen die Augen schon den Trail einige Meter voraus und das Trailrunnergehirn verarbeitet beides gleichzeitig.
Wenn der Typ dann noch währenddessen ißt, trinkt, über die Navigation nachdenkt, mit der hübschen Trailrunnerin neben sich flirtet….dann ist er ein echter Trailrunner!
9. Gebot: Im Trail ist immer gutes Wetter!
Klar findet es jeder am schönsten, sich bei warmem Sonnenschein draussen zu bewegen…unabhängig davon ist der Trail aber bei jedem Wetter ein Erlebnis. Dank moderner Funktionsbekleidung sind weder Kälte, noch Wind, Schnee oder Regen ein Hinderungsgrund, Spass zu haben. Als Kinder haben wir auch die schönste Zeit gehabt, wenn wir uns im Matsch so richtig einsauen konnten…. Mit Trailrunning haben wir den supergenialen Vorwand, dies auch noch im Erwachsenenalter zu tun, ohne gleich in einschlägige Institutionen eingewiesen zu werden…
10. Gebot: Die Welt ist ein Trail!
Wo auch immer ich hinreise, Trails habe ich bis jetzt noch fast überall gefunden. Auf allen Kontinenten haben sich von jeher Menschen und Tiere Wege durch die Landschaft gebahnt, lange bevor diese in 30 Meter breite beleitplankte Asphaltstreifen ausgeufert sind. Deshalb ist auch der Trailrunner der „echte“ Laufsportler. Die zig-tausend Stadtmarathonteilnehmer sind die domestizierte Version des Mammutjagenden Querfeldeinläufers. Mögen die Opfer der Zivilisation auch an Deinem Verstand zweifeln und sich kritisch äussern über deine Hatz quer durch’s Gelände – der Trailrunner weiss: der Sinn des Lebens besteht in verschlissenen, dreckigen Trailschuhen, verschwitzten, von Dornen verkratzten Beinen und brennenden Wadenmuskeln. Wo auch immer Du hingehst, suche den Trail, der Deinem Tag einen Sinn gibt.
11. Gebot: Genug gelesen! Der Trail ruft!
Wir haben es versucht obwohl wir wussten, daß es eigentlich nicht geht…. Trailrunning kann man nicht erklären, es ist keine Wissenschaft, und folgt keinen Regeln…genau wie der Trailrunner.
Deshalb sagen wir: mach’ daß Du raus kommst, finde noch heute einen Trail den Du noch nicht kanntest, oder laufe einen Dir bekannten andersherum. Und wenn Du an eine Kreuzung oder Gabelung kommst, denke daran: im Zweifel wähle immer den schmaleren Weg!